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Digitale Teilhabe für alle: Das bringt das neue Gesetz

Seit Juni 2025 gilt: Webseiten und Apps und weitere Produkte und Dienstleistungen müssen barrierefrei sein. Was auf den ersten Blick nach Technik klingt, betrifft uns alle – denn digitale Teilhabe ist ein Grundpfeiler einer modernen Gesellschaft. Doch was heißt das genau, und wie gut sind wir vorbereitet? Darüber haben wir mit Sven Niklas, Referent digitale Barrierefreiheit und barrierefreie Kommunikation bei der Bundesfachstelle Barrierefreiheit, gesprochen.

Seit Juni gibt es das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG). Was sind aus Ihrer Sicht die zentralen Verbesserungen, die das Gesetz mit sich bringt?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz resultiert ja aus einer europäischen Richtlinie, dem European Accessibility Act, kurz EAA. Diese Richtlinie verfolgt das Ziel, die europäische Wirtschaft barrierefreier auszurichten. Zunächst vollzieht das Gesetz eine Vereinheitlichung von rechtlichen Vorgaben für den europäischen Binnenmarkt. Die im Gesetz genannten Produkte und Dienstleistungen müssen also barrierefrei sein. Somit wird die Wirtschaft zum ersten Mal verpflichtet, Anforderungen an die Barrierefreiheit umzusetzen. Dies stellt eine der zentralen Forderungen der Verbände der Menschen mit Behinderungen dar und ist die zentrale Verbesserung. Kurz gesagt: Die Verpflichtung der Privatwirtschaft zur Umsetzung der Barrierefreiheit ist ein Erfolg für alle Menschen. 

Wie gut sind Unternehmen und Behörden Ihrer Meinung nach auf die Umsetzung bis 2025 vorbereitet? 

Sehr unterschiedlich. Die Unternehmen, Verbände und Interessenvertretungen der Wirtschaft, mit denen wir gesprochen haben, sind in der Regel sehr gut aufgestellt. Es gab auch Unternehmen, die eine etwas andere Strategie verfolgen, aber darum wird sich dann die zuständige Marktüberwachungsbehörde kümmern. Insgesamt sehen wir sehr zuversichtlich und optimistisch in die Zukunft. Barrierefreiheit wird in der Wirtschaft zu einem echten Faktor. Die behördliche Sicht kann man vermutlich erst im nächsten Jahr bewerten, wenn die Marktüberwachungsbehörde bereits eine gewisse Zeit agiert hat. Aktuell hat die Behörde leider noch nicht ihre Arbeit aufnehmen können.

Welche Lücken lassen die Regelungen des BFSG aus Ihrer Sicht offen – und welche Herausforderungen entstehen dadurch bei der praktischen Umsetzung, gerade für kleinere Anbieter?

Das BFSG deckt bislang nur bestimmte Bereiche ab. Themen wie Deutsche Gebärdensprache und Leichte Sprache bleiben weitgehend ungeregelt und bieten noch Spielraum. Für kleinere Unternehmen, die weniger als 10 Mitarbeitende und einen maximalen Jahresumsatz von 2 Millionen Euro haben und von den Vorgaben befreit sind, bietet die Bundesfachstelle Barrierefreiheit Beratung an, um sie bei der Umsetzung zu unterstützen.

Was passiert, wenn Unternehmen die Vorgaben nicht einhalten? 

Dann wird die gemeinsame Marktüberwachungsbehörde der Länder aktiv, die ihren Sitz in Magdeburg (Sachsen-Anhalt) hat. Diese kann über verschiedene Maßnahmen die vom BFSG betroffenen Produkte und Dienstleistungen der Unternehmen kontrollieren. Vom Bußgeld bis zur Untersagung, das Produkt oder die Dienstleistung weiter anzubieten, gibt es eine Vielfalt an Instrumenten. Zunächst wird die Behörde aber sicher auf Gesprächsebene mit den Unternehmen kommunizieren. Sollten diese Schritte nicht erfolgreich sein, bestünde für Verbraucherinnen und Verbraucher noch die Möglichkeit, den Klageweg zu bestreiten oder ein Schlichtungsverfahren bei der Schlichtungsstelle des Bundes anzustreben. 

Wie kann Ihrer Meinung nach echte Barrierefreiheit über die gesetzlichen Mindeststandards hinaus erreicht werden?

Dies kann nur über die richtige Einstellung erreicht werden. An dem Punkt, an dem Menschen erkennen, welchen gewinnbringenden Mehrwert Barrierefreiheit für alle hat, ist der Weg eröffnet. Ich kenne keinen Sektor, der in den letzten Jahren so schnell gewachsen ist, so dass der Bedarf an Fachkräften immens gestiegen ist. Durch das BFSG setzen sich inzwischen viel mehr Menschen mit diesem gesellschaftlichen Querschnittsthema auseinander. Es gibt Berührungspunkte auf so vielen Ebenen, dass es eine logische Folge sein muss, dass es in der nächsten Zeit zu essenziellen Verbesserungen kommen wird. Die Regelwerke und Gesetze werden die Barrierefreiheit immer weiterentwickeln und dementsprechend kann diese Entwicklung nicht aufhören. Die Technik wird ebenfalls ihren Beitrag dazu leisten, die Welt für alle Menschen barrierefrei zu machen. 

Ein allgemeiner Überblick im Beitrag der Fachstelle Teilhabeberatung vom Juli 2025.
 

10/2025