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Interview mit Frau Dr. Diana Peitel - Projektleiterin der Fachstelle Teilhabeberatung

Eine Person interagiert mit einer anderen Person

Seit dem 1. Januar 2018 gibt es bundesweit die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung, auch kurz EUTB®genannt, für Menschen mit Behinderungen, von Behinderung bedrohte Menschen und deren Angehörige. Die fachliche und organisatorische Begleitung der EUTB®-Angebote übernimmt die Fachstelle Teilhabeberatung. Sie hat im August 2017 ihre Arbeit aufgenommen und wurde im Dezember 2017 feierlich eröffnet.

Die gesetzlichen und finanziellen Voraussetzungen dafür hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) geschaffen. Ziel der EUTB® ist es, zu allen Fragen rund um Rehabilitation und Teilhabe zu beraten und die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu stärken.
Die Leitung der Fachstelle Teilhabeberatung obliegt Gabriele Fellermayer und Dr. Diana Peitel, die wir heute gern zur Entwicklung der Fachstelle interviewen möchten.

Frau Dr. Peitel wie ist die Entwicklung der Fachstelle? Wo stand sie damals, wo heute? Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Meilensteine?

Mit der Förderung aus Bundesmitteln in Höhe von 58 Mio. € pro Jahr wurde ein niedrigschwelliges und flächendeckendes Beratungsangebot nach dem Prinzip „Eine für alle“ etabliert. Dabei etwas gänzlich Neues zu gestalten, ist für mich ein Privileg und macht meine tägliche Arbeit so spannend. Natürlich haben wir einiges in den letzten zwei Jahren erreicht. Besonders freut mich der gute Kontakt zu den mittlerweile rund 500 EUTB®-Angeboten, die bundesweit agieren und die wir fachlich und organisatorisch begleiten und beraten. Und dass uns die EUTB®-Angebote als Ansprechpartnerin für alle Fragen rund um die Beratung, die Vernetzung mit vorhandenen Beratungsangeboten und bei der Sicherstellung der Qualität in der Beratung sehen, zeigt mir, dass wir zu einer verlässlichen Expertin der EUTB® herangewachsen sind.

Highlights sind für mich immer die Begegnungen mit den EUTB®-Berater*innen. Als Projektleiterin bin ich anders als die Berater*innen der Fachstelle nicht im direkten Kontakt mit den EUTB®-Berater*innen vor Ort und freue mich daher umso mehr über die Begegnungen, auch auf den bundesweiten Schulungsveranstaltungen der Fachstelle. Jede einzelne Schulungsveranstaltung hatte ihre besonderen Momente, obwohl mir besonders die Veranstaltung im Juni 2019 in Erinnerung geblieben ist. Auf ihr haben wir gemeinsam mit über 250 EUTB®-Berater*innen am Leitbild der EUTB® gearbeitet, es gab den ersten digitalen Tisch, an dem sich auch Berater*innen, die nicht in Berlin sein konnten, in die Entwicklung des Leitbildes einbringen konnten. Auch haben wir zum ersten Mal einen Livestream angeboten, der von fast 500 Personen besucht wurde. Dieser Tag und die Stimmung waren einfach magisch. Wir arbeiten aber auch kontinuierlich an unserer Webseite weiter, welche es nicht nur in Alltagssprache gibt, sondern auch in Leichte Sprache und Deutscher Gebärdensprache.

Etwas Neues in einer bestehenden Beratungslandschaft zu etablieren, war bestimmt nicht immer einfach. Was waren die größten Herausforderungen aus Ihrer Sicht?

Die größte Herausforderung war und ist zugleich die größte Chance: Ein Beratungsangebot in dieser Form gab es bisher nicht. Berater*innen, die über alle Bereiche der Rehabilitation und Teilhabe nach der Methode des Peer Counseling beraten. Damit verwirklicht die EUTB® ein Ziel der UN-BRK, die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen mittels Peer Counseling, der Beratung von Betroffenen für Betroffene. Außerdem war es eine jahrzehntealte Forderung der Selbsthilfe, die Beratung finanziell zu unterstützen und nachhaltiger zu gestalten. Mit der Fachstelle haben wir die Chance ein wichtiger Teil dieser Umsetzung zu sein. Das heißt, dass wir die große Chance haben, dieses Beratungsangebot mitzugestalten. Gleichzeitig ist es aber sehr herausfordernd, denn es gibt kein Modell, an dem wir uns orientieren konnten. Und so gibt es bis heute Fragen zu der Rolle der EUTB®-Berater*innen und den Grenzen der Beratung. Hier bin ich dankbar, dass ich mich stets auf den Rat des Auftraggebers, der Programmleitung und meiner Co-Projektleitung Gabi Fellermayer stützen kann. Wir haben zusätzlich sechs Focus-Teams etabliert, die uns mit ihrer fachlichen Kompetenz stärken. Auch in unseren Projektpartnern SLUG (Selbstbestimmt Leben UG), die einen Teil des Teams der Fachstellen-Berater*innen stellen und der HU, der Abteilung Deaf Studies unter der Leitung von Professor Rathmann, habe ich stets kompetente Ansprechpartner*innen. Denn auch wir schließen uns dem Grundsatz der UN-Konvention "Nichts ohne uns über uns" an.

Aber die Mühen der Herausforderungen lohnen sich, denn die EUTB® ist als neues Beratungsangebot angenommen und wird nachgefragt. In den Feedbacks der Ratsuchenden gab weit mehr als die Hälfte der Personen an, dass ihnen eine Peer-Beratung besonders wichtig ist. Und über 99 % der Personen, die nach der Beratung eine Rückmeldung gaben, würden die EUTB® weiterempfehlen.

Frau Dr. Peitel wir möchten kurz mit einem Ausblick in die Zukunft enden. Wo sehen Sie die Fachstelle Teilhabeberatung in der Zukunft? Was steht bei Ihnen an?

Die fachliche und organisatorische Begleitung der EUTB®-Angebote wird auch weiterhin das zentrale Thema sein, gerade auch vor dem Hintergrund des Inkrafttretens der dritten Reformstufe der Bundesteilhabegesetzes zu Beginn des Jahres. Wir werden die Angebote auch weiterhin dabei unterstützen, dass die Qualität der Beratungen auf einem hohen Niveau stattfindet. Dafür hat die Fachstelle in Zusammenarbeit mit einer Runde von Expert*innen, dem Focus-Team Qualität, und mit EUTB®-Berater*innen ein Qualitätsmanagementhandbuch für die EUTB® geschrieben, welches gerade finalisiert wird und im Jahr 2020 erprobt werden soll. Auch die Unterstützung bei der Vernetzung der EUTB®-Angebote untereinander und mit bestehenden Beratungsangeboten wird weiterhin ein wichtiger Teil unserer Arbeit sein. Denn: Sich persönlich kennenzulernen, auszutauschen, zu vernetzen und bis dahin bereits geknüpfte Kontakte weiter zu vertiefen, ist den Berater*innen besonders wichtig und ein Gewinn für die Ratsuchenden.