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EUTB im ländlichen Raum: von Herausforderungen und Chancen

Hochtürme vs. Haus und Baum

Der ländliche Raum stellt in allen öffentlichen Betrachtungen eine wichtige Rolle dar. Gleichzeitig werden seine Komplexität und Flexibilität jedoch nicht immer wahrgenommen. Was zeichnet ländliche Landstriche aus? Wie kann EUTB® dort gestaltet werden und welche Perspektiven sind nötig? Diesen Fragen sind die Berater*innen des Beratungsangebots im Vogelsbergkreis nachgegangen. Der nachstehende Artikel wurde in Zusammenarbeit mit ihnen geschrieben.

Der Vogelsbergkreis ist mit einer Fläche von 1.500 Quadratkilometern der drittgrößte Flächenkreis in Hessen und mit einer Einwohnerzahl von 72 pro Quadratkilometer gleichzeitig einer der am dünnsten besiedelten. Hier ist ein EUTB®- Angebot mit zwei Beraterinnen vertreten, die auch die Gemeinden aus den angrenzenden Landkreisen mitversorgen. Die fehlende Infrastruktur, insbesondere im ÖPNV im ländlichen Raum erschwert sowohl die aufsuchende als auch die vor Ort-Beratung. Dies kann nur durch einen Mehraufwand ausgeglichen werden.

Mit über 500 Beratungen im Jahr haben die Berater*innen viel zu tun. Ihr Angebot erfolgt persönlich, per E-Mail oder telefonisch, sodass sie auch während der Pandemiezeiten der letzten Jahre immer für die Ratsuchenden zu erreichen waren. Denn – auch das ist typisch für den ländlichen Raum – es zählt Verbindlichkeit: Die Menschen hier wollen sich auf ein Angebot verlassen. Sie sind froh, wenn sie die Menschen kennen, mit denen sie es zu tun haben. Und sie empfehlen gute Beratung weiter. Mund-zu-Mund-Propaganda sowohl der Ratsuchenden untereinander als auch in den Netzwerken hat einen hohen Stellenwert.

Ein großer Unterschied zu den EUTB®-Angeboten in Ballungsräumen ist die Tatsache, dass den Menschen auf einer großen Fläche nur ein (EUTB®-) Beratungsangebot zur Verfügung steht. Für sie scheint das EUTB®-Motto „Eine für alle“ wie gemacht, denn die Berater*innen sind in der Tat Expert*innen für alle in Frage kommenden Bereiche. Spezialisierungen bieten die EUTB®-Angebote hier in erster Linie über ihre Peer-Berater*innen an, mit denen sie ebenfalls durch ein gutes Netzwerk verbunden sind. Damit ist das Ehrenamt eine wichtige Säule für EUTB®-Angebote im ländlichen Raum. Auch informelle Strukturen, wie beispielsweise Nachbarschaftshilfen, Einrichtungen als auch der direkte nachbarschaftliche Kontakt und Vereine tragen zum hohen Bekanntheitsgrad der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung in der Region bei. Hier profitiert der ländliche Raum von seiner „dünnen“ Besiedelung: Schnell sind Akteur*innen miteinander bekannt und vernetzt.

Perspektivisch sieht man im Vogelsberg einen wieder wachsenden Beratungsbedarf. Der demographische Wandel sowie eine Ausdünnung des ÖPNV werden Spuren hinterlassen. Ein intensiver, verständnisvoller Blick auf den ländlichen Raum, seine Bedürfnisse und die Belange der Menschen werden nötig sein, damit das EUTB®-Angebot hier weiter so gut wirken kann.

09/2022